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Folge 46: Schule im Zehnthaus (Teil 1)

Klaus Peter Scholz • 14. Mai 2023


Zugegeben: Bezogen auf das Zehnthaus mag uns Erwachsenen der etwas effektheischende Titel überzogen erscheinen. Allerdings sieht das aus der Perspektive einer dritten Klasse der Schule am Zehnthof ganz anders aus. Das konnte der Vorstand des Vereins Zehnthaus in den vergangenen Jahren immer wieder erfahren, wenn es wieder hieß: Schule im Zehnthaus. Seit 2007 hat der Verein eine alte Tradition wiederbelebt, nämlich die dritten Klassen der Grundschule ins Zehnthaus einzuladen.


Es sind jeweils zwei bzw. drei Klassen, die Jahr für Jahr vor den Sommerferien oder im März im Rahmen einer Projektwoche für eine Unterrichtstunde das Zehnthaus in Begleitung der Klassenlehrerin besuchen und vom Keller bis zum Boden alles unter die Lupe nehmen.


Die Klassen kommen in Doppelreihe (Verkehrssicherheit!) um die Ecke der Kirche St. Petrus und Paulus und werden auf der Kirchenseite in Empfang genommen. Hier löst sich die Ordnung in eine lockere Formation zur Begrüßung auf. Wir schauen auf das Zehnthaus und entdecken schmiedeeiserne Zeichen (Maueranker!) auf halber Wand-höhe, die alsbald als die Jahreszahl 1726 entziffert werden. Gut gemacht! Wir überqueren vorsichtig die Straße und versammeln uns vor den beiden Matronen-steinen zwischen dem Zehnthaus und der romanischen Kirche. Hier kommt es darauf an, in kurzer Form die Bedeutung von Matronen, so hießen einheimische Göttinnen, für den Glauben der Menschen im römischen Rheinland zu erläutern. Zum richtigen Verständnis gehört aber auch, dass die Steine vor ca. 130 Jahren beim Bau der Eisenbahn zwischen Bonn und Euskirchen in der Nähe von Odendorf gefunden wurden. Die Originale befinden sich im LVR-Landes Museum in Bonn.




Auf dem Weg zum Zehnthaus gilt es seit 2012 ein neues Objekt auf dem Zehnthof vorzustellen, nämlich den Offenen Bücherschrank. Bemerkenswert festzustellen, dass erst die Hälfte der Schülerinnen und Schüler schon einmal in den Bücherschrank geschaut hat. Grund genug, dafür Werbung zu machen. 
Im unteren Fach gibt es spezielle Jugend- und Kinderbücher, die jedermann ausleihen oder auch entnehmen und behalten darf.


Wir gehen weiter zur Eingangstür. Über dem Türsturz entziffern wir wieder die Jahreszahl 1726. Die Tafel neben der Tür enthält einige grundlegende Informationen zum Zehnthaus, vorgelesen und verkündet durch einen Freiwilligen mit lauter Stimme. Wir merken uns die Stichworte: Kartäuser-Orden, Zehntabgabe. Dann geht es zum oberen Saal, dem Kartäuser-Saal. 46 Beine wollen gleichzeitig über die Wendeltreppe nach oben. Alle Besucher dürfen sich in das Gästebuch eintragen, das später mit einigen Bildern den Besuch dokumentieren wird. Stühle und Tafel sind vorbereitet und nun geht es in einem lockeren Gespräch um die Geschichte des Zehnthauses.


Dabei kommt es darauf an, den Zeit-Aspekt der geschichtlichen Entwicklung für den Blickwinkel von 9-jährigen zu öffnen. Was war der ‚Zehnte‘, wer musste ihn abliefern, wer erhielt den ‚Zehnten‘, wo wurde er gelagert? Aha, natürlich im Zehnthaus mit einer Mauerstärke von 58 cm. Die bietet Schutz gegen Hitze und Kälte und, wenn nötig, auch vor Räubern. Welche weiteren Themenbereiche werden behandelt? Welche Fragen werden gestellt und beantwortet? Zum Beispiel: Was ist ein Orden? Was ist der Kartäuser-Orden? Wer war Napoleon? Was ist ein Baudenkmal?


Teil 2 folgt.

von Martin Effelsberg / Sammlung Zehnthaus 9. November 2024
Die Chorfenster der Pfarrkirche St. Petrus und Paulus in Odendorf sind nicht nur Kunstwerke der Glasmalerei mit biblischen Themen, sondern senden auch verborgene weltliche Signale. Im Detail zeigen die Chorfenster Auszüge aus der Offenbarung des Johannes (Apokalypse), dem letzten Buch des Neuen Testaments. 
von Sammlung Zehnthaus 19. Oktober 2024
Zu der zerstörten Infrastruktur nach dem Zweiten Weltkrieges gehörten auch zahlreiche Kirchen. Die Chorfenster der neuen Pfarrkirche St. Petrus und Paulus in Odendorf waren ebenfalls beschädigt und mussten ersetzt werden. Für die künstlerische Gestaltung wurde der international bekannte Glasmaler Paul Weigmann gewonnen. Der Künstler (1923 – 2009) lebte in Leverkusen. Seine Werke mit apokalyptischen Themen finden sich vor allem in Sakralbauten, aber auch in profanen Gebäuden. Insgesamt gestaltete er über 300 Kirchenfensterzyklen. Allein in Leverkusen sind seine Buntglasbilder in 14 Kirchen zu finden, in Köln sind es fünf Gotteshäuser. Weitere Beispiele sind das Bonner Münster, die Dome von Worms, Mainz, Speyer und vielen weitere Städte. Auch in den Nachbargemeinden Oberdress und Straßfeld ist Weigmann vertreten. Zunächst wurden 1952 die drei Chorfenster und 1973 die Seitenfenster ersetzt. Hergestellt wurden diese Fenster durch die Firma Glasmalerei Oidtmann in Linnich. Es ist die älteste Werkstatt dieser Art in Deutschland, die bereits in der fünften Generation betrieben wird. Internationale Künstler, Architekten und Konservatoren schätzen die über 150jährige Fachkompetenz dieser Glasmalerei. Glaskunstobjekte aus diesem Unternehmen sind in der Sammlung des Vatikans und im Victoria & Albert Museum in London zu bewundern. Es gibt noch weitere große Werkstätten im Rheinland und Westfalen. Damit wurde die Glasmalerei zu einem historisch gewachsenen regionalen Kulturgut. Nordrhein-Westfalen nimmt damit bei der Geschichte und Entwicklung der modernen Glasmalerei eine Schlüsselstellung mit internationalem Einfluss ein. So entstand folgerichtig aufgrund einer Bürgerinitiative in Linnich in einer ehemaligen Getreidemühle das Deutsche Glasmalerei-Museum, eine deutschlandweit einzigartige Sammlung. Den Grundstock für die Dauerausstellung legten über 1200 Glasmalereien der Nachkriegszeit und eine Bibliothek als Schenkung aus dem Bestand der Firma Oidtmann. Die Besucher erwartet ein repräsentativer Überblick zur Geschichte der Glasmalerei vom Frühmittelalter bis zur Gegenwart.  Die Chorfenster der Odendorfer Pfarrkirche sind folglich künstlerisch bedeutsam. Heute zeigen wir die Gesamtansicht der Chorfenster, Detailberichte folgen.
von Sammlung Zehnthaus 27. September 2024
Die Familie von Boeselager ließ von der Figurengruppe eine kleine Kopie fertigen, jedoch auch diese Gruppe hatte keine lange Verweildauer in diesem Kapellchen. Sie wurde aus Sicherheitsgründen nach Gut Capellen gebracht. Die neuen Figuren stammen aus dem Nachlass der Siegburger Abtei Michelsberg. Einwohner aus Heimerzheim hatten sich als Paten Jahrzehnte um die Erhaltung des Heiligenhäuschen gekümmert. 1991 wurde es in die Denkmalliste der Gemeinde -Swisttal eingetragen. Schon damals war die Bausubstanz durch eindringendes Regenwasser stark gefährdet und in der Folgezeit verschlechterte sich der bauliche Zustand. 2018 übernahm Rainer Schmitz aus Heimerzheim die Initiative und gab diesem Bilderstock und dem Umfeld in einem mehrwöchigen Einsatz ein neues Gesicht. Unterstützung fand er beim Bauhof der Gemeinde Swisttal. Sach- und Geldspenden von Firmen halfen bei der Beschaffung der Bänke und bei der Gestaltung der Außenanlagen, engagierte Privatpersonen beteiligten sich an weiteren Kosten. Eine Herz-Jesu-Gruppe aus Gips bildete in den letzten Jahrzehnten das Herzstück der Kapelle. Als Wetterschutz brachte Schmitz deshalb hinter dem Gitter eine Plexiglasscheibe an. Die Figuren Jesus und Josef der Herz-Jesu-Gruppe aus dem Nachlass der Abtei Michelsberg tauschte er aus. Den Tafeltext hat Schmitz entziffert und übersetzt.
von Sammlung Zehnthaus 13. September 2024
Wo die B 56 an der Einfahrt zur Entsorgungsanlage der RSAG die Swist überquert, befindet sich der historische Swistübergang Lützermiel. Hier sind Reste eines Straßendamms zu finden, dessen unterste Schichten nach archäologischen Befunden zu einem römischen Straßendamm gehörten. Die historische Straßentrasse führte vermutlich über den Kottenforst bis nach Bonn und war eine wichtige Transportstrecke. Heute informiert dort der Ortsausschuss Morenhoven über historische Landkarten und weist die ideale Fahrradstrecke der Rheinischen Apfelroute aus. Wer hier mit dem Fahrrad ankommt und Richtung Norden nach Heimerzheim weiterfährt, sieht nach wenigen Metern wie der Jungbach in die Swist mündet und entdeckt kurz darauf direkt am Bach gegenüber von Gut Vershoven eine gepflegte Denkmalstätte, die zum Verweilen einlädt: Das Heiligenhäuschen. 1823 wurde das Heiligenhäuschen von Ferdinand Trimborn und Franziska Scheiff erbaut. Eine Tafel auf dem alten Friedhof in Bonn erinnert an die beiden. Eine Steintafel am Bilderstock in Latein weist auf den Zeitpunkt der Erbauung des Denkmals hin. Auf einer weiteren Tafel steht der von Rainer Schmitz übersetzte Text: „Zur Ehre Gottes und der seligsten Jungfrau Maria haben dieses Denkmal aus den Steinen der Kirche zu Capellen die Bürger Ferdinand Trimborn und Franziska Scheiff im Jahre 1823 gebaut“. Von dem Übersetzer wird später noch die Rede sein.
von Sammlung Zehnthaus 3. August 2024
In NRW gibt es Zehntausende von archäologischen Fundstellen. Tausende Bodendenkmale sind in den Denkmallisten eingetragen. Der Boden birgt jedoch noch weit mehr Zeugnisse der Vergangenheit, die auch von privater Seite auf Interesse stoßen. Die Zusammenarbeit zwischen amtlicher Bodendenkmalerpflege und privaten Suchern unter Einhaltung der Regeln ist durchaus erlaubt. Wer Sondengänger werden und die Denkmalpflege unterstützen will, für den sind einige Formalitäten bei der zuständigen Oberen Denkmalbehörde (Kreis) zu erledigen. In einem Informationsgespräch mit den Archäologen des Landschaftsverbandes wird sichergestellt, dass bestimmte Standards eingehalten werden und Bodendenkmäler keinen Schaden nehmen. Diejenigen, die sich wirklich für Archäologie und den Erhalt unseres kulturellen Erbes interessieren, erhalten dann nach Paragraf 15 Denkmalschutzgesetz NRW eine Grabungserlaubnis. Die Genehmigung gilt zeitlich begrenzt für ein festgelegtes Suchgebiet. Sie ist stets mitzuführen und auf Verlangen vorzuzeigen. Ein wachsender, zum großen Teil illegaler Markt für Antiken bietet finanzielle Anreize. Zudem ist die Suche mit Metalldetektoren in den vergangenen Jahren zu einer Freizeitbeschäftigung geworden. Nur ein Bruchteil dieser Personen verfügt über das notwendige Fachwissen oder arbeitet mit der Denkmalbehörde zusammen. Bis heute werden Raubgrabungen häufig als „Schatzsuche“ bagatellisiert und als Kavaliersdelikt. Was viele nicht wissen: Wer auf eigene Faust als Sondengänger mit Detektoren auf die Suche geht, kann Bodendenkmäler oder auch Fundstellen zerstören, damit geht wertvolles Wissen verloren. So geschehen in folgendem Fall. 1999 entdeckten Raubgräber eine Bronzescheibe in der Nähe der Stadt Nebra in Sachsen-Anhalt. Dieses einzigartige Artefakt ist 4000 Jahre alt und zeigt den Sternenhimmel mit Mondabbildungen sowie Angaben zum Stand der Sonne. Es ist die älteste bisher bekannte Himmelsdarstellung. Vermutlich diente die Scheibe astronomischen und religiösen Zwecken. Der illegale Fund wurde für 700.00 DM an Hehler verkauft. Als der Schatz 2002 verschiedenen Museen angeboten wurde, stellte die Basler Polizei gemeinsam mit dem geständigen Finder das Objekt sicher. Räuber und Hehler wurden zu Haftstrafen auf Bewährung und Geldstrafen verurteilt. Der Fund an sich war die positive Nachricht. Leider konnten Wissenschaftler den Fundort erst nachträglich untersuchen. Trotz Nachgrabungen im Rahmen eines Forschungsprojektes konnten die Deponierungsumstände der Scheibe und der Beigaben nicht zweifelsfrei offengelegt werden. Der Befundzusammenhang wurde durch die Raubgräber zerstört. Damit gingen wertvolle Erkenntnisse über die frühe Bronzezeit verloren. Die Originale gehören seitdem zur Schatzkammer des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle. 
von Sammlung Zehnthaus 20. Juli 2024
Wer über Denkmalschutz spricht, denkt bei Bodendenkmälern und Bodenfunden auch an Grabräuber. Der Begriff trifft auch dann zu, wenn diese Personen nur nach Scherben oder Münzen suchen. Die Form des Grabraubes ist ein altes Phänomen. Wir kennen es schon seit der Vorgeschichte. Ziel der Suche waren die wertvollen Beigaben in Gräbern. Dies war in allen alten Kulturen der Fall. Die meisten Funde kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ans Tageslicht. Durch den Landausbau entstanden neue Felder und Siedlungen. In der Folge haben die Bauern auf ihren neu angelegten Flächen bis heute zahlreiche vergrabene Wertgegenstände „ausgeackert“, es waren Zufallsprodukte. Seit einigen Jahrzehnten erleben wir hier eine Renaissance und damit auch einen Anstieg von illegalen Grabungen. Tatsächlich entstehen durch Raubgrabungen erhebliche Schäden am Kulturgut. Das fachfremde Graben ohne Dokumentation zerstört kulturhistorische archäologische Zusammenhänge. Gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse werden verhindert. Ausgrabungen in Deutschland sind von den Denkmalschutzbehörden der Länder streng reglementiert. So benötigt man überall eine Genehmigung für Grabungen, teilweise bereits für Nachforschungen. Alle Funde sind zu melden und gehen fast immer in Landeseigentum über, manchmal wird der Finder auch beteiligt. Auch bei Zufallsfunden besteht eine Meldepflicht. Dennoch sind Raubgrabungen auch in Deutschland an der Tagesordnung. 
von Sammlung Zehnthaus 30. Juni 2024
Weltweit ist Kulturgut durch Raubgrabungen und Plünderungen gefährdet. Raubgrabungen sind in allen Kontinenten ein Phänomen. Das gilt auch für den illegalen Handel und den Erwerb von illegal ausgegrabenem und ausgeführtem Kulturgut. Das Gesamtvolumen des internationalen illegalen Handels mit Kulturgut beträgt nach Schätzungen der UNESCO mehrere Milliarden Dollar jährlich. Damit stehe der illegale Handel mit Kulturgut nach dem internationalen Handel mit Waffen und Drogen an dritter Stelle der internationalen Kriminalität. Militärische und politische Konflikte haben verheerende Folgen für Kulturgüter. In Syrien im Irak und Afghanistan sind bereits über einhundert archäologische Stätten beschädigt worden, darunter sechs, die zum UNESCO-Weltkulturerbe zählten, beispielsweise Palmyra und Aleppo. Verantwortlich sind dafür zum einen die ISIS-Terroristen, die aus ideologischen Gründen bewusst Kulturerbe vernichteten und zur Terrorfinanzierung Kulturstätten plündern. Zum anderen machten sich kriminelle Banden die unsichere Lage zunutze und plünderten mit hunderten angeworbenen Helfern und teils schwerem Gerät, wie Baggern und Bulldozern, in großem Stil archäologische Stätten und Museen. Aber auch militärische Einheiten sind aufgrund ihrer Einsatzdoktrin an der Zerstörung beteiligt. So ist auch US-Militär auf dem Gebiet des antiken Babylons stationiert gewesen und hat Teile der Ruine zerstört sowie achtlos archäologische Fundstücke zur Befestigung benutzt. Weniger bekannt aber ebenso bedrohlich sind Raubgrabungen in Afrika, Latein-Amerika und Südost-Europa. Wegen unzureichender gesetzlicher Bestimmungen war die „Kulturnation“ Deutschland bisher ein beliebter Umschlagplatz für antike Schätzen. „Die ‚UNESCO-Konvention zum Kulturschutz“ von 1970 wurde hierzulande erst 2007 ratifiziert. Erst nach dieser Resolution haben sich die Museen verpflichtet, keine Stücke unklarer Provenienz zu erwerben. Bei einem Kunstwerk oder Kulturgut sind im idealen Fall alle früheren Besitzverhältnisse bekannt und können offengelegt werden. Eine effektivere Strafverfolgung der Banden ist zwar wünschenswert, aber sehr aufwendig. Der bessere Weg ist es deshalb, bei möglichen Abnehmern anzusetzen. Experten, Museen, Auktionshäuser, Sammler und Händler müssten durch Bewusstseinsbildung und die bestehenden gesetzlichen Regelungen dazu gebracht werden, strenge Sorgfaltspflichten beim Erwerb von Kulturgut einzuhalten. Die oft unrühmliche Vergangenheit der Archäologie der Anfangsjahre wirft jedoch lange Schatten. In Deutschland bestehen durch Kunstraub und Enteignung während des NS-Regimes besondere Herausforderungen bei der sogenannten Beutekunst bzw. Raubkunst. Erst in den vergangenen 10 Jahren hat eine Bewegung zur Rückgabe unrechtmäßig erlangter ausländischer Funde politisch an Einfluss gewonnen und führte zur Gründung einer jungen wissenschaftlichen Disziplin, der Provenienzforschung. Gegenstand der Forschung ist die Geschichte eines musealen Objektes, ein Teildisziplin der Kunstgeschichte.
von Sammlung Zehnthaus 22. Juni 2024
Es ist eine Aufgabe der Archäologie, die Spuren unserer Geschichte sichtbar zu machen und für die nachfolgenden Generationen zu erhalten. Das LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland schützt und pflegt die archäologischen und paläontologischen Denkmäler im öffentlichen Auftrag. Typische Bodendenkmäler sind Siedlungen, Gräberfelder, Heiligtümer unterschiedlicher Epochen, Befestigungsanlagen und Technische Bodendenkmäler, wie z. B. die römische Wasserleitung nach Köln. Versteinerte Pflanzen und Tiere sind paläontologische Denkmäler. Funde – wie Gefäße, Werkzeuge, Waffen, Schmuck, Bauteile oder Skelettreste haben ebenfalls Denkmalcharakter. Karten, Luftbilder und Oberflächenfunde auf landwirtschaftlich genutzten Flächen sind einige der Quellen, die zu neuen Fundplätzen oder zu neuem Wissen über Bodendenkmäler führen. Sie sind die Basis für die traditionelle archäologische Denkmalpflege. Bodendenkmäler sind oft die einzigen Zeugen unserer Vergangenheit. Die meisten archäologischen Ausgrabungen sind Notgrabungen bei Zufallsfunden. Ist ein Bodendenkmal zum Beispiel durch Bauarbeiten in seinem Bestand bedroht, dann erforschen, dokumentieren und bewahren die Archäologen die Spuren der Vergangenheit. Für die wissenschaftliche Auswertung ist es wichtig, genau zu dokumentieren, wie die Fundstelle in allen Einzelheiten ausgesehen hat. Dafür wird die untersuchte Fläche abgesteckt und der Boden gleichmäßig abgetragen. Jeder frühere Eingriff in den Boden wie Pfosten oder Gruben hinterließ sichtbare Spuren, die als Befunde bezeichnet werden. Die genaue Lage und Beschaffenheit von Befunden und Funden dokumentieren die Grabungstechniker mit Hilfe von GPS-Daten-, Höhen- und Tiefenangaben, Zeichnungen und Fotografien. Die geborgenen Gegenstände werden vorläufig konserviert, vorsichtig verpackt und nummeriert, um sie auch später ihrer Fundstelle genau zuordnen zu können. Die eigentliche Arbeit beginnt erst nach der Ausgrabung. Die Funde werden je nach Zustand in einem Zentralmagazin inventarisiert und aufbewahrt oder in den Werkstätten von Restauratoren konserviert, um den weiteren Verfall aufzuhalten. Restauratoren bewahren nicht nur die Zeugnisse unserer Vergangenheit vor dem Verfall. Sie sind auch als Spurenleser und Detektive auf der Suche nach Informationen: Sie lesen die Funde. Die aussagekräftigsten Funde werden gezeichnet und fotografiert. Jetzt beginnt die eigentliche Auswertung. Auf der Grundlage der dokumentierten Daten werden beispielsweise Funde mit vergleichbaren Entdeckungen an anderen Orten abgeglichen, die Lage in den Schichten des Bodens wird analysiert, das Alter der entdeckten Artefakte wird anhand der wissenschaftlichen Literatur oder mit naturwissenschaftlichen Methoden bestimmt. Die Funde, die Dokumentation und die wissenschaftliche Auswertung sind schließlich Gedächtnis und Archiv für das Bodendenkmal. Die gesammelten Informationen werden in Datenbanken erfasst. Inzwischen gibt es in NRW ca. 50 000 Fundstellen. Mit Hilfe elektronischer Fundpunktverwaltung können Verbreitungskarten erstellt und Recherchen betrieben werden.  Mit der Veröffentlichung der Ergebnisse erhalten andere Forscher und alle Interessierten Zugang zu den Erkenntnissen. Die wichtigsten Funde vermitteln in Museen einen Einblick in das neu erschlossene Wissen. Der LVR veröffentlichte als Fund des Monats Juni 2024 eine Terrakotta-Statuette, die bei Grabungen im Vorfeld des Braunkohleabbaus in der Verfüllung eines Brunnens gefunden wurde. Sie stammt aus dem 2. bis 3. Jahrhundert n. Chr. und war damals eine modelgeformte Massenware. Heute sind nur noch eine Handvoll Exemplare überliefert.
von Sammlung Zehnthaus / LWL-Archäologie 7. Juni 2024
Die Archäologie verbindet unterschiedliche Gebiete der Natur- und Kulturwissenschaften. Neue Analysemethoden helfen den Archäologen, das Alltagsleben genauer zu rekonstruieren. Was früher kaum beachtet wurde – verbrannte Samen, menschliche Fäkalien oder die Reste am Boden eines Kochtopfes sind die neuen Schätze. Sie verraten den Forschern, was die Menschen aßen, mit wem sie Handel trieben und wo sie aufwuchsen. Die Radiokarbonmethode ermöglicht eine zuverlässige Zeitmessung zur Datierung von Funden. Satellitenbilder und Röntgenfluoreszenz erlauben es der Wissenschaft, Fundstätten und Artefakte zu untersuchen, ohne einen Spaten in die Erde zu stechen oder eine Probe aus einem wertvollen Museumsobjekt herauszuschneiden. Durch Luftbildprospektion können neue Fundstellen entdeckt werden. Mauern im Boden beeinflussen den Wuchs von Getreide. Solche und andere Veränderungen in der Landschaft, die durch verborgene Relikte der Vergangenheit beeinflusst werden, sind aus der Luft oftmals klar zu erkennen. In diesem Zusammenhang ist auch das Airborne Laser Scanning zu erwähnen. Es dient zur Vermessung von Landschaftsoberflächen und Strukturen und lässt Rückschlüsse auf Veränderungen zu. Ein Beispiel dafür sind die römischen Übungslager im Kottenforst. Diese waren mit „traditionellen“ Methoden nicht zu erkennen. Durch geophysikalische Prospektion kann man Strukturen wie Mauern und Gräben ohne Ausgrabung tief im Boden erkennen. Die Archäozoologie und Archäobotanik erforscht die Tierwelten und Pflanzen, die es einstmals gab. Anthropologen erforschen die menschlichen Überreste, können Aussagen etwa über Alter oder Ernährung treffen. Materialanalysen erlauben Rückschlüsse zur Herkunft von verwendeten Rohstoffen wie Metallen oder Gesteinen, Numismatiker können entdeckte Münzen zeitlich und regional einordnen. Schliemann gilt als Vater der Spatenarchäologie. Trotz aller Technik ist auch die Prospektion „zu Fuß“ wichtig, d.h. über den Acker laufen und kartieren. Feldbegehungen sind oft ein erster Schritt, um eine neue Fundstelle zu ermitteln oder von einem bekannten Platz detailliertere Informationen zu gewinnen. So wird heute Archäologie immer noch vor Ort betrieben, aber der Schwerpunkt liegt bei der Arbeit am Schreibtisch und im Labor. Die revolutionärste Entwicklung der letzten Jahre ist sicher die Fähigkeit, genetisches Material aus alten Knochen zu gewinnen. Das bisher eher archäologisch begründete Bild der Geschichte der Menschheit wird dadurch auf eine genetische Grundlage gestellt und wir erhalten neue Informationen über die Beziehung zu unseren Vorfahren. Moderne Archäologie ist hochspezialisiert. Experten aus verschiedenen Disziplinen arbeiten vor, während und besonders nach der Grabung zusammen. Archäologie ist Teamarbeit. Aufgabe der Archäologie ist es nicht, vergrabene Schätze zu finden, sondern das Leben und Wirken von Verstorbenen in ihrer Zeit zu erklären.
von Sammlung Zehnthaus 25. Mai 2024
Ein Vortrag im Zehnthaus über archäologische Grabungen in Odendorf gibt Anlass, das Thema weiterzuführen. Die Suche nach verborgenen Kostbarkeiten hat viele Forscher lebenslang begleitet. Seit mehr als 2500 Jahren sammeln Reiche und Mächtige Altertümer, um sich im Glanz und Ruhm vergangener Zeiten zu sonnen. Römische Kaiser ließen ägyptische Obelisken über das Mittelmeer transportieren, um ihre Hauptstadt zu schmücken. Die Maya-Städte, die Terrakotta Armee, Pompeji oder die spektakulären Schätze aus dem Grab des Pharao Tutanchamun machten weltweit Schlagzeilen. Europäische Ausgräber schwärmten bereits im 18. Jahrhundert über den ganzen Globus aus. Nur wenige waren ernste Wissenschaftler. Die meisten eher Diplomaten oder Geschäftsleute, die eng mit der kolonialen Expansionspolitik verbunden waren. Sie ließen ägyptische Mumien, assyrische Statuen, griechische Friese und vieles mehr in ihre Staatsmuseen oder Privatsammlungen schaffen. Bleiben wir in Deutschland. Johann Winkelmann (1717 - 1768) schuf die Grundlagen für die Klassische Archäologie und die moderne Kunstgeschichte. Als Schriftsteller hat er dem breiten Publikum die antike griechische Kunst nahegebracht. Er gilt unter Archäologen als Stammvater dieser Wissenschaft. Außerhalb von Fachkreisen jedoch ist Winckelmann eher unbekannt. Als sich Anfang des 19. Jahrhunderts die Archäologie als neue Wissenschaft etablierte, läutete diese Disziplin eine beispiellose Ära an Entdeckungen ein, die das Verständnis für die Entwicklung der Menschheit revolutionierte. Es war Heinrich Schliemann, der 1871 an der kleinasiatischen Küste auf dem Hügel Hisarlik mit seinen Ausgrabungen begann, um Troja zu finden. Er hatte einen märchenhaften Aufstieg vom Ladenburschen zum Multi-Millionär vollzogen und setzte enorme Summen für die Ausgrabungen ein. Schliemann hat immer behauptet, Troja gefunden zu haben. Ein archäologischer Beweis dafür ist bislang weder von ihm noch von seinen Nachfolgern erbracht worden. Er fand nicht das, was er suchte. Er entdeckte eine bronzezeitliche Siedlung mit einer bis dahin völlig unbekannter Keramik. Bei den äußerst intensiven Grabungen durch verschiedene Siedlungsschichten kam schließlich ein Goldfund zu tage. Schliemann glaubte den Schatz des Priamos mit annähernd 8000 Gegenständen gefunden zu haben, den er vertragswidrig aus dem Osmanischen Reich nach Griechenland und später nach Deutschland schaffen ließ. Nach heutigem, allgemein anerkanntem Forschungsstand ist die Bezeichnung „Schatz des Priamos“ nicht korrekt, denn der Goldschmuck ist rund 1250 Jahre älter als das von Homer beschriebene Troja aus der Herrscherzeit von Priamos, dem letzten trojanischen König. Der Schatz wurde 1885 im Völkerkundemuseum Berlin ausgestellt und nach dem Zweiten Weltkrieg als Beutekunst in die Sowjetunion gebracht. Der Aufenthaltsort blieb zunächst geheim, seit 1996 ist er im Moskauer Puschkin-Museum ausgestellt. Schliemann war sehr auf Erfolgsmeldungen und auf Anerkennung aus, was ihm von wissenschaftlicher Seite viel Kritik einbrachte. Er hat sich nach heutiger Begriffswelt sehr gut vermarktet, auch weil er die Macht der Presse erkannte und als Mittel der Dokumentation die Photographie einsetzte. So ist Schliemann heute im Gegensatz zu Winckelmann der Öffentlichkeit unter den Stichworten Troja und Priamos ein Begriff. Sein Grabmal steht in Athen. Ausstellungskatalog: Dr. Heinrich Schliemann. Ausstellung im Akademischen Kunstmuseum der Universität Bonn (Bonn 1991)
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